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Newsletter Juni/Juli 2014

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Schwung: Newsletter Juni/Juli 2014




Liebe Leserin, lieber Leser,

als in einer Gesprächsrunde hochsensibler Menschen die Frage aufkam, womit man am besten zur Ruhe kommen könnte, kamen Dinge wie Spaziergänge in der Natur, Gartenarbeit oder Lesen zur Sprache. Ich verkniff mir meine spontan aufblitzende Antwort. Zu schräg und zu speziell schien sie mir, zu sehr auf meine eigenen Interessensgebiete bedacht, sicher zu wenig interessant für andere: „Alte Radios betrachten.“ Wahrscheinlich lachen Sie jetzt oder staunen ungläubig. Ja, es ist eine ganz eigenartige Erfahrung, die ich machte: Durch das Betrachten alter Technik zur Ruhe zu kommen. Aber inzwischen weiß ich mehr über diese Zusammenhänge und finde sie spannend genug für den Newsletter.

Vor einiger Zeit hatte ich mich an das kleine Transistorradio meines Vaters erinnert, das während meiner Kindheit unser regelmäßiger Begleiter auf Ferienreisen war. Der „Mikki“, so hieß er, hatte mich damals fasziniert, weil man ihn zum Batteriewechsel ganz öffnen mußte. Und dann war das dichtgedrängte Innenleben sichtbar, das auf geheimnisvolle Weise dafür sorgte, daß Musik das Hotelzimmer erfüllte. Der klare und unaufdringliche Klang eines kleinen, leise spielenden Lautsprechers hat bis heute etwas Anheimelndes für mich. Und bis heute ist das Radio – wie Sie als Leser des Newsletters sicher schon wissen – mein Lieblingsmedium.


Alte Transistorradios

Ich war neugierig, ob ich im Internet etwas über unseren damaligen treuen Reisebegleiter erfahren würde. Ja, ganz Erstaunliches sogar! Der in der DDR produzierte „Mikki“ konnte in Sachen Miniaturisierung mit dem Weltstandard mithalten. Das hätte ich nicht gedacht. Nun stöberte ich weiter, wollte sehen, was der Westen damals zu bieten hatte. Ich stieß auf transistor.org, die Homepage einer Sammlerin alter Transistor-Taschenradios. Statt, wie es andere Sammler tun würden, vor allem auf die Technik einzugehen, setzt sie den Schwerpunkt auf die äußere Gestaltung. Schön, daß Frauen und Männer so unterschiedliche Perspektiven haben. Ich ließ mich von der Sichtweise dieser Sammlerin gern leiten. Hunderte Bilder ihrer Sammlerstücke bieten einen tiefen Einblick in das Zeitgefühl der 1950er und 1960er Jahre.

Der gerade frisch erfundene Transistor war ja damals, Mitte der 1950er Jahre, eine Sensation. Endlich konnten Radios kleiner und leichter werden. Anders als die damals noch schweren, röhrenbetriebenen Kofferradios waren die neuen Transistorradios klein genug, um Platz in einer Jackentasche zu finden und immer dabei zu sein. So klein und unscheinbar sie waren, so fortschrittlich war die Technik. Das zeigten die Hersteller stolz mit der aufgedruckten Zahl der eingebauten Transistoren – und eben mit dem Design.

Diese kleinen Wunderwerke der Technik nahmen das Design der damaligen Straßenkreuzer auf. Ähnliche Farbkombinationen, Verzierungen aus Chrom oder Messing, manchmal imitiertes Holz. Skalen waren aufwendig in einer Art plastischer Hinterglasmalerei ausgeführt. Auf den Lautsprechergittern prangten Wappen, Schriftzüge und immer wieder Zierleisten im Jetwing-Design – abgeschaut von den gepfeilten Flügeln der damals ebenfalls ganz neuen Düsenflugzeuge. Auch die Gehäuseform selbst war Gegenstand gestalterischer Kreativität. Manche waren bauchig, andere hatten elegant abgerundete Ecken, wieder andere erinnerten an die Form von Rasierapparaten.


Hightech von damals

So, wie Autos damals den stolzen Schriftzug „Automatic“ trugen, verkündeten die Worte „Solid State“ auf den Radios das Transistor-Innenleben. Und natürlich immer wieder die Zahl der Transistoren. Sie war geradezu ein Statussymbol – so sehr, daß manche Hersteller auf die Idee kamen, defekte Transistoren nicht wegzuwerfen, sondern funktionslos mit in ihre Radios einzulöten, um deren Zahl zu steigern. Auch westliche Radios mußten schließlich für den Batteriewechsel ganz geöffnet werden und zeigen dann ihr Innenleben.

Auf der anderen Seite gab es Billigschaltungen mit gerade mal zwei Transistoren, sogenannte „Boy’s Radios“, erschwinglich genug für junge Leute, aber mit ebenso opulent ausgestatteten Gehäusen. Damit waren die Jungs garantiert Mittelpunkt ihrer Clique. Endlich unabhängig vom elterlichen Röhrenradio die eigene Musik hören! Diese kleinen Radios prägten zusammen mit dem gerade aufkommenden Rock’n’Roll das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Verständlich der Aufwand um dieses Stück – aus heutiger Sicht reichlich primitiver – Technik. Ein kleines Mittelwellengerät mit zwei Knöpfen – Lautstärke und Senderwahl – wird zu einem faszinierenden Hingucker. Und läßt heute eine vergangene Zeit sehnsuchtsvoll wieder aufleben.

Ich blieb den ganzen Abend auf der Seite und stöberte durch die Sammlung, um die immer wieder neuen, alten Designideen auf mich wirken zu lassen. Je weiter die Jahre fortschritten, desto nüchterner das Design und desto mehr konnten die Radios. Die Kurzwelle kam hinzu, später auch die Ultrakurzwelle. Die Zahl der genannten Transistoren stieg – und entfiel bald ganz. Der Technik war ausgereift und wurde Normalität. Das Design spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Faszination der Sammlung nahm in dieser Richtung ab. Also wieder zurück zu den alten Radios und zu dem wohlig nostalgischen Gefühl, das sie auslösten!


Zur Ruhe kommen

In der Nacht danach schlief ich besonders tief und ruhig. Ich meine mich erinnern zu können, daß ich außergewöhnlich entspannt geträumt hatte. Am nächsten Morgen fühlte ich mich ungewöhnlich frisch und ausgeruht. War das auf die Zeitreise am Vorabend zurückzuführen? Ich wußte es nicht. Als ich einige Wochen später wieder die Radiosammlung besuchte, da ich beim ersten Mal längst nicht alles hatte sehen können, erlebte am nächsten Morgen wieder denselben Effekt. War da also doch was dran? Haben nostalgische Gefühle eine solche Wirkung? Da ich andere Dinge auf dem Zettel hatte, konnte ich der Frage wieder nicht nachgehen.

Sicher haben Sie, wenn Sie schon länger den Newsletter lesen, schon festgestellt, daß ich einen gewissen Hang zur Nostalgie habe. Oder vielmehr, daß ich nicht gleich jedem modernen Hype auf den Leim gehen mag. Oder noch genauer: Daß ich nicht von jedem Megatrend unbedingt begeistert bin. Ich will aber auch nicht rückwärtsgewandt sein. Ich verschließe mich nicht jeder neuen Entwicklung. Ich finde die Zukunft vielmehr überaus spannend, und bin in mancherlei Hinsicht vielleicht sogar optimistischer als viele andere. Aber ich finde eben nicht alles Neue gut, nur weil es neu ist. Und nicht alles Alte schlecht, weil es alt ist.

In diesem Suchen nach einem ausgewogenen inneren Gleichgewicht hat mich jüngst ein Artikel in der Zeitschrift Psychologie heute bestärkt. Er verweist auf den überraschend hohen Wert nostalgischer Gefühle für die Bewältigung des gegenwärtigen Lebens. Dabei geht es nicht um Realitätsflucht oder Weltabgewandtheit. Echte Nostalgie ist nicht die simple Haltung „Früher war alles besser.“ Denn früher war manches vielleicht einfacher, aber keinesfalls alles besser. Im Gegenteil. Die alten Radios – darauf weist auch die Sammlerin immer wieder hin – sind Zeugen einer Zeit der Angst vor dem Umschlagen des Kalten Krieges in einen heißen Krieg.


Auch früher war es schwierig

Zwei Markierungen auf den Senderskalen, sogenannte CD Marker („civil defence“ – zivile Verteidigung), zeigten nämlich an, wo im Ernstfall Radiosender Informationen für die Bevölkerung geben sollten. Bei Luftalarm waren die amerikanischen Radiosender im ganzen Land angewiesen, den Sendebetrieb einzustellen, damit feindliche Bomber sie nicht zu Navigationszwecken anpeilen können. Nur auf den beiden markierten Frequenzen sollten Notsender in Betrieb bleiben.

Was hat es mit der Nostalgie auf sich? Warum ist sie nach Meinung der Psychologen so wichtig? Wir leben in einer Zeit voller Veränderungen. Nie stürmte so viel auf die Menschen ein, wie auf uns heute in unserer globalisierten und digitalisierten Welt. Nie gab es mehr Forscher, nie mehr Wissenszuwachs, nie mehr Veränderung in allen Lebensbereichen. Freilich, umwälzende wissenschaftliche Erkenntnisse, große politische Veränderungen oder revolutionär neue Produkte gab es immer wieder in der Vergangenheit. Aber nie kam so viel auf einmal, wie wir es heute erleben. Wir stehen unter dem zunehmenden Druck, da mitzuhalten. Immer am Ball bleiben! Bloß nicht stehenbleiben, um nicht abgehängt zu werden! Und schon gar nicht zurückblicken!

Dem gegenüber steht ein erstaunlicher, immer stärker werdender Trend, der den Blick zurück pflegt. Nun, da unsere 18-Megapixel-Digitalfotos praktisch perfekt sind, steigt die Zahl der Programme, die die Bilder auf alt trimmen. Schon in der Kamera kann man dem eben fotografierten Bild einen nostalgischen Sepia-Ton verleihen. Instagram und viele andere Bildbearbeitungsprogramme geben den Bildern den 70er-Jahre-Charme zurück – unscharf, verwaschene Farben, dunklere Ecken. Die Firma Lomography bietet erfolgreich teure Analogkameras mit extra schlechten Objektiven und teure Filme mit extra schlechter Emulsion an, die das auch ohne Computer hinkriegen. Und die damit fotografierten Bilder, die Kunden auf der Webseite ausstellen, machen sichtlich Spaß!


Megatrend Nostalgie

Zeitungen illustrieren Artikel über den Ausbau des Digitalrundfunks oder über steigende Rundfunkgebühren mit Bildern alter Röhrenradios. Während junge Leute heute mit dem Wort „Bandsalat“ nichts mehr anfangen können, erzielen gebrauchte Kassettendecks der 80er Jahre unter Kennern Höchstpreise. Ein großer Elektromarkt hat nach einiger Zeit der Abstinenz inzwischen sogar wieder Tonbandkassetten im Regal. Schon länger hat die totgesagte Schallplatte wieder ihre Liebhaber, weil den seelenlosen Digitalaufnahmen nun mal das wohlige Knistern und Rauschen fehlt. Gerade brachte Neil Young ein Album heraus, das er mit Technik der 40er Jahre aufgenommen hat. Nostalgischer Titel: „A Letter Home“ – Ein Brief nach Hause. Wohlgemerkt: Brief, nicht E-Mail.

Nostalgie findet vielfach im Internet statt. Es gibt virtuelle Museen zu allen möglichen Themen. Soziale Netzwerke machen Nostalgie zum Geschäftsmodell: Bei Stayfriends kann man alte Schulkameraden finden und mit ihnen über die Schulzeit plaudern. Auch das Kino bedient gern die nostalgische Sehnsucht: Vielleicht kennen Sie den liebevollen Animationsfilm „Cars“, der – aufwendig mit modernsten Methoden der Computeranimation produziert – aus einer trostlosen Gegenwart in die glanzvolle Zeit der 50er Jahre zurückblickt – und diese Vergangenheit auf berührende Weise wiederbelebt.

Alte Autos ziehen auf der Straße alle Blicke auf sich. Zum Hafengeburtstag sind die alten Segler die größte Attraktion. Auf der Alster kreuzt regelmäßig ein kleines Dampfschiff. Die begehrten Rundflüge der 80 Jahre alten „Tante Ju“ sind auf lange Zeit hinaus ausgebucht. Auch Traditionsfahrten mit alten Dampfzügen oder Oldtimer-Bussen sind stets gut besucht, und die Fahrgäste sind – anders als in modernen Zügen oder Bussen – immer gut gelaunt. Vereine pflegen und erhalten mit großem Aufwand und viel Liebe die alte Technik, und viele Menschen sind bereit, dafür Geld zu spenden.


Warum Nostalgie so gut tut

Nostalgie, wohin man schaut. Die Menschen haben in Zeiten immer schnelleren Fortschritts ein immer größeres Bedürfnis danach. Gut so, sagen die Psychologen inzwischen. Lange galt dieses wehmütige Sehnen als lähmende Emotion, als Fluchtreaktion von Menschen, die den Anforderungen des modernen Lebens nicht gewachsen sind. Doch echte Nostalgie ist keine Realitätsflucht. Sie wendet sich der Vergangenheit zu, ohne der Gegenwart zu entfliehen. Sie reichert vielmehr die Gegenwart mit Vergangenheit an.

Der Sozialpsychologe Constantine Sedikides „litt“ an nostalgischen Gefühlen. Ein Kollege vermutete, das sei eine Depression und riet ihm, zum Therapeuten zu gehen. Doch Sedikides stellte fest, daß ihm das gut tat: „Nostalgisch zu sein, machte mich stärker, optimistischer, ließ mich die Kontinuität in meinem Leben sehen, verband, was war, mit dem, was kommen würde.“ Er begann das Phänomen zu erforschen, ohne zu ahnen, daß er damit ein völlig neues Forschungsgebiet schaffen würde. Anfangs hatte er Probleme, seine verblüffenden Ergebnisse zu publizieren, weil die Gutachter in den Redaktionen der Fachzeitschriften sie nicht glauben wollten. Heute hat er Mühe, mit dem Lesen der Fachliteratur nachzukommen.

Was die Nostalgie für die Seele so wohltuend macht, ist die komplexe Mischung aus heiteren und schmerzlichen Anteilen. Das mag erstaunen. Doch diese Erkenntnis setzt sich ja auch in der Glücksforschung durch: Immer nur fröhlich und obenauf zu sein, läßt uns innerlich leer. Erst wenn wir uns auch Gefühle der Melancholie zugestehen, erst wenn wir es der Seele erlauben, auf und ab zu schwingen, erleben wir Tiefgang und Erfüllung. Insbesondere hochsensible Menschen kennen eine Traurigkeit, die so tief ist, daß sie eine ganz eigene Schönheit entfaltet und das Leben auf besondere Weise bereichert. Aber sie kennen auch Freude, die so groß ist, daß sie sich kaum aushalten läßt. Die Seele muß schwingen können, um stark und gesund zu bleiben, um nicht in die Extreme der Manie oder der Depression zu verfallen.


Die Mischung macht’s

Die Nostalgie trägt diese gefühlsmäßige Schwingungsbreite in sich. Gerade der wehmütige Anteil, so die paradoxen Erkenntnisse der Nostalgieforschung, fördert Optimismus, Selbstwertgefühl und Verbundenheit mit anderen Menschen. Nostalgisch veranlagte Menschen haben eine positivere und stabilere Gemütslage, erleben das Leben als bedeutungsvoller, leben erfülltere Beziehungen und fühlen sich sogar körperlich wohler. Gründe genug, sich immer wieder mal nostalgische Gefühle zuzugestehen. Schon Kerzenschein, das Hören einer lange nicht gehörten Schallplatte, das Lesen eines alten Briefes, das Stöbern in alten Büchern oder das Aufsuchen von Orten der Erinnerung können dazu beitragen.

Ich sehe noch weitere Punkte, die die Psychologen nicht nennen: Nostalgie vermittelt Bedeutung und Identität. Die Dampflok oder das „Dampfradio“ sind nicht einfach nur alte Technik. Die schnulzigen Heimatfilme der 50er Jahre oder die spröden Polizeiruf-Krimis aus der DDR sind nicht nur alte Filme. Menschen früherer Generationen haben daran gearbeitet, um diese Dinge zu schaffen. Sie sind Botschaften ihrer Zeit. Die Erinnerung daran gibt den Dingen ihre Bedeutung. Unsere Kultur, unser Leben, ja, sogar unsere Identität bestehen zu großen Teilen aus solchen Erinnerungen. Gehen sie uns verloren, dann geht nicht nur ein Stück von uns selbst verloren, sondern wir haben es auch schwerer, unseren Weg in die Zukunft zu finden: Ohne Herkunft keine Zukunft. Ohne Nostalgie, immer nur auf den Fortschritt bedacht, schreiten von etwas unersetzlich Wichtigem fort und verarmen innerlich.

Eine besondere Intensität entfalten solche nostalgischen Erinnerungen, wenn wir sie gemeinsam mit anderen Menschen erleben: „Weißt du noch?“ „Hör mal, sie spielen unser Lied!“ Nostalgie stärkt Gemeinschaft und Beziehungen. Gemeinsame Erinnerungen verbinden die Gesellschaft als Ganzes und geben ihr eine kollektive Identität. Uns Deutschen fehlt an diesem Punkt etwas, weil in unserer kollektiven Erinnerung eine große, dunkle Lücke zwischen 1933 und 1945 klafft. Wir kennen nicht das schöne Wir-Gefühl anderer Nationen, die sich beim Anblick ihrer Nationalflagge einfach daran freuen können, daß sie sind, wer sie sind. In uns steckt statt dessen die Angst vor „Deutschtümelei“. Viele gute Schätze aus der Geschichte unseres Volkes blieben an dem Bruch in unserer Geschichte hängen und schafften es nicht in unsere Zeit hinein. Bis heute sind wir uns unserer selbst und unserer Identität nicht sicher. Unsere Nationalfarben präsentieren wir nur dann gern, wenn es bei Weltmeisterschaften etwas zu siegen gibt.


Erinnerungsabbrüche

Im Osten Deutschlands gab es einen weiteren Bruch. Doch es scheint, daß wir mit der Erinnerung an die DDR besser umgehen. Wer im Westen aufgewachsen ist, schaut vielleicht skeptisch auf die „Ostalgie“ der im Osten Aufgewachsenen: Muß man sich denn wirklich immer wieder daran erinnern? Ich selbst komme auch aus dem Osten. Meine Wahlheimat ist Hamburg, doch die DDR ist meine Herkunft. Sie ist Teil meines Lebens. Ich muß DDR-Verhältnisse nicht wieder haben. Doch müßte ich diesen Teil meines Lebens verleugnen oder vergessen, ginge mir etwas verloren. Dabei ist ein Vergessen ohnehin nicht möglich: Schon kleine Impulse – das Glas Bautzener Senf beim Grillen, ein DDR-typisches Wort in einer Unterhaltung, ein „Ich komme aus Dresden“ beim Kennenlernen eines Menschen – stoßen schlagartig jede Menge Erinnerungen an und ergeben Gesprächsthemen für einen ganzen Abend.

Erstaunliche Beobachtung am Rande: Nostalgische Gefühle kann man sogar von anderen Menschen übernehmen, selbst wenn sie nicht mit eigenen Erinnerungen verknüpft sind. Da wir „Ossis“ immer einen westwärts gerichteten Blick hatten, berühren uns auch die nostalgischen Erinnerungen, die alten Schlager und die alten Heimatfilme des Westens. Oder sind die Erinnerungen doch nicht so unterschiedlich? Sich in den Ferien mit dem Käfer bis nach Italien ans Mittelmeer durchzuschlagen, war doch gar nicht so sehr anders, als sich mit dem Trabi bis nach Bulgarien an Schwarze Meer durchzukämpfen. Die Entdeckerfreude und die Faszination am Fremden waren doch in Ost und West dieselbe, oder?

Einer der wichtigsten Punkte zur Nostalgie: Der Blick in die Vergangenheit gibt uns Orientierung für Gegenwart und Zukunft. Wir sind heute so schrecklich orientierungslos. Überrumpelt von einer nicht endenden Informationsflut, wissen wir nicht mehr aus noch ein. Der Blick zurück bringt Ordnung in das Chaos, hilft uns unsere heutige Welt zu verstehen und beantwortet uns Fragen, die wir uns kaum noch zu stellen trauen: Wo stehen wir? Was geschieht mit uns? Wohin gehen wir? Ist das, was wir für normal halten, weil es für uns allgegenwärtig ist, wirklich normal? Wir stellen fest: Es ist alles schon mal dagewesen. Frühere Generationen mußten die gleichen Probleme lösen wie wir heute. Und sie haben es geschafft. Was können wir von ihnen lernen?


„Zurück in die Zukunft“

Wenn der Blick zurück fehlt, geht uns ein Fundament verloren, auf dem wir stehen können. Immer nur Neues ohne die Substanz des Alten – da fehlt was. Da ist nichts, in das wir uns verwurzeln können, um mutig in die Zukunft hinein leben zu können. Mahatma Gandhi sagte einmal: „Die Vergangenheit lehrt den Menschen, daß die Vergangenheit den Menschen nichts lehrt.“ Sie kann uns nichts lehren, wenn wir sie nicht erinnern. Wenn wir aber die Erkenntnisse aus der Vergangenheit vergessen, sind wir dazu verurteilt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Kann es sein, daß wir heute manche Fehler wiederholen, die wir vor 80 Jahren schon mal gemacht haben? Das sollten wir uns doch besser ersparen.

Und noch ein letzter Punkt: Das nostalgische Innehalten kann uns Bewohner einer immer rastloseren Welt wieder zurück in eine Ruhe führen. Das Leben der Vergangenheit ist gelebt. Es hat sich in gewisser Weise „gelegt“, so wie sich ein Sturm legt. Es ist still geworden, auch wenn es damals stürmisch und schwer war. Was bleibt, sind die Früchte des gelebten Lebens, und eine meist ruhige Erinnerung an die frühere Zeit. Zumindest ruhig im Vergleich zum gegenwärtigen Leben. Das will gelebt werden mit all dem, was auf uns einstürmt, was bewältigt, gemeistert und entschieden werden will.

Wie wohltuend ist da der Blick ins Gestern! Auf das bereits bewältigte, gemeisterte und entschiedene Leben. Unsere Erinnerungen – das zeigen Forschungen immer wieder – färben sich mit der Zeit positiver. Wir erinnern uns auch an das Schlimme, aber es liegt inzwischen zurück. Wir sind da durchgekommen. Wir haben es geschafft. Hinzu kommt auch ein wehmütiges Gefühl. Schöne Dinge, die vorbei sind. Menschen, die wir gemocht haben, aber die heute nicht mehr Teil unseres Lebens sind, aus welchen Gründen auch immer. Erfolge, die wir errungen haben. All das, was uns reich gemacht hat, und dessen Früchte wir heute in uns tragen und genießen.


Das gelebte Leben

Natürlich sind da auch die Dinge, die heute immer noch schmerzen, die unvergeben und unversöhnt sind. Niederlagen, die uns noch heute peinlich sind. Auch das gehört zu den Erinnerungen an das gelebtes Leben, aber wir können lernen, es loszulassen, uns selbst oder anderen zu vergeben. Wir können uns bewußtmachen, was wir aus den Niederlagen für unser Leben gelernt haben. Dann sind diese Erinnerungen zwar immer noch da, aber sie schmerzen nicht mehr – oder nicht mehr so sehr. Es trübt den Blick ins Gestern nicht mehr, sondern es gehört mit dazu zu dieser freudig-wehmütig getönten Stimmung.

Der nostalgische Rückblick ins eigene Leben vermag diese persönlichen Schätze, die wir zu verlieren drohen, wiederzubeleben und lebendig zu halten. Und der nostalgische Rückblick in frühere Zeiten, die wir nur aus Erzählungen kennen, vermag die kollektiven Schätze unserer Kultur, die wir zu verlieren drohen, wiederzubeleben und lebendig zu halten.

Die Ferienzeit ist wunderbar geeignet, Orte aufzusuchen, mit denen Sie Erinnerungen verknüpfen, oder Museen zu besuchen, die Sie mit Ihrer Vergangenheit oder der Vergangenheit Ihres Wohnortes in Berührung bringen. Nutzen Sie die Zeit auch, um sich auch einen Erinnerungsschatz zu schaffen, von dem Sie künftig zehren können: Besondere Erlebnisse an besonderen Orten, am besten gemeinsam mit besonderen Menschen. Die Engländer machen das ganz gezielt: „Let’s make memories.“


Zur Ruhe kommen

Und im Herbst, wenn die Tage wieder kürzer und die Abende länger werden, gönnen Sie sich immer wieder mal ein Stück Nostalgie. Schalten Sie Smartphone, Computer und Fernseher eine zeitlang aus. Genießen Sie einen entspannten Abend bei Kerzenschein, legen Sie eine alte Schallplatte auf, blättern Sie in einem alten Fotoalbum, wagen Sie einen „Wellenbummel“ auf Mittel- oder Kurzwelle, kramen Sie in Ihrer „Schatzkiste“ aus der Kindheit, oder erzählen Sie Kindern davon, wie es damals war.

Dieses nostalgische Newsletter-Thema hat mir ungewöhnlich viel Zeit abgefordert, um sich entfalten zu können. Ich bin dankbar, daß ich ihm diese Zeit geben konnte. Es hat mir gut getan. Ihnen wünsche ich all den Reichtum, der in den Erinnerungen liegt, und diese ganz besondere Ruhe, die den Blick in die Vergangenheit begleitet.

Herzlichst,
Ihr Reimar Lüngen



„Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers.“
– unbekannt



Inhalt

> Israel: Reise für Hochsensible
> Termine und Infos
> Beruflichen Wandel meistern



Israel: Reise für Hochsensible

Der Spezialist für Israelreisen, Schechinger Tours, bietet nächstes Jahr in Zusammenarbeit mit einem hochsensiblen Wanderleiter, den ich persönlich kenne, eine Rundreise speziell für Hochsensible an. Das Reiseprogramm ist nicht überladen, es gibt immer wieder Möglichkeiten, sich in der Natur zu bewegen, und das Quartier ist die meiste Zeit über ein Kibbuz am wunderschönen und entspannenden See Genezaret. Israel ist ein kleines, aber außerordentlich abwechslungsreiches Land. Ich selbst war mehrmals dort. Es gibt so viel zu sehen, daß Rundreisen Hochsensiblen schnell zu viel werden können. Ich finde die Idee von Schechinger so gut, daß sie mir einen Tip im Newsletter wert ist. Wenn Sie das Land der Bibel etwas entspannter erkunden wollen, könnte die Reise etwas für Sie sein.

Mehr Infos auf: www.schechinger-tours.de/schechinger-reisen/details/reise/israel-bibel-und-wanderreise-fuer-hochsensible-menschen


Termine und Infos

Sommer. Urlaubszeit. Auch ich gönne mir eine Sommerpause. Im Juli werde ich gleich zwei Mal verreisen und nur gelegentlich die E-Mails prüfen oder den Anrufbeantworter abhören können. Auch im August werde ich die Dinge noch entspannt angehen. Ich werde dann wieder Coaching anbieten, aber keine Seminare.


Eine Vorankündigung für den Herbst habe ich trotzdem schon: Die Christliche Volkshochschule Ellerau (am nördlichen Stadtrand Hamburgs) hat mich angefragt, ob ich dort Seminare zum Thema Hochsensibilität halten würde. Das tue ich gern.

Das Impulsseminar „Hochsensibilität verstehen“ findet am 24. September statt, das Impulsseminar „Hochsensibilität leben“ am 8. Oktober. Beginn jeweils um 19:30 Uhr. Informationen werden dermnächst auf der CVHS-Homepage eingestellt, die Anmeldung ist aber schon möglich. Die Seminare finden in den Räumen der Kirchengemeinde Ellerau, Berliner Damm 14, statt. Sie ist über die A7 (Ausfahrt Quickborn), mit der AKN-Linie A1 (Station Ellerau) und mit der Buslinie 194 (Haltestelle Berliner Damm/Kirche) zu erreichen.

Mehr Infos und Anmeldung auf: www.die-cvhs.de


Immer wieder werde ich gefragt, ob es solche Seminare, wie ich sie anbiete, auch anderswo als nur in Norddeutschland gäbe. Meines Wissens nicht – aber ich würde sie auch woanders halten, wenn ich eingeladen werde. Wenn es am Ort einen Ansprechpartner oder ein Team gibt, das bei der Organisation hilft und lokal auch ein wenig die Werbetrommel rührt, dann können wir mit wenig Aufwand Großes erreichen – natürlich zu beiderseitigem Nutzen, wie bisherige Veranstaltungen zeigen. Also: Wenn Sie mich als Referent einladen möchten, dann sprechen Sie mich gern an!

Mehr zu meinen Seminarthemen auf: www.RLuengen.de/termine



Beruflichen Wandel meistern

Sie sind frustriert im Beruf? Drohen auszubrennen? Langweilen sich zu Tode? Vermissen den Sinn? Dann bleiben Sie nicht in Ihrer frustrierenden Situation! Sie riskieren sonst gesundheitliche Schäden. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist.

Wenn Sie sich eine Veränderung nicht zutrauen oder nicht wissen, was Sie tun sollen, dann stehe ich Ihnen mit Bewerbungs- oder Berufungscoaching gern zur Verfügung: Sie entdecken, was in Ihnen steckt, gewinnen Klarheit über Ihre Möglichkeiten, wissen, welche Richtung Sie einschlagen können, verstehen, wie der Bewerbungsprozeß funktioniert und präsentieren mutig einen Lebenslauf, auf den Sie stolz sein können.

Wenn Sie sich das wünschen, dann lassen Sie sich doch zu einem unverbindlichen und kostenlosen Kennenlerntelefonat einladen. Wir nehmen uns Zeit füreinander und ergründen, was Sie brauchen und was ich für Sie tun kann. Sie gehen kein Risiko ein: Nur wenn alles perfekt paßt, beginnen wir mit dem Coaching. Davor sind Sie zu nichts weiter verpflichtet.

So erreichen Sie mich:

Reimar Lüngen
Onckenstraße 11
22607 Hamburg

Tel. 040/28 41 09 45
E-Mail info@klaarkimming.org

Mehr Infos auf: www.KlaarKimming.org





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Stand: Juni 2014
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